Blog

Recruiting im Gesundheitswesen 2022

 Es sind herausfordernde Zeiten für Recruiter, ganz besonders im Gesundheitswesen. Der Fachkräftemangel, der inzwischen alle Branchen mehr oder weniger stark betrifft, ist fast schon ein alter Hut für Personalverantwortliche im Gesundheitswesen. Einige Branchen sind gerade dabei, die Vorzüge multikultureller Unternehmenskultur zu entdecken. In Krankenhäusern sind ethnisch vielfältige Belegschaften schon längst normal. Dies ist nicht unbedingt immer Zeugnis von Aufgeschlossenheit, sondern teilweise reine Notwendigkeit. Die Schlussfolgerung, dass unsere Branche dementsprechend fortschrittliches Personalmanagement betreibt, ist leider unzutreffend.

 

Gatekeeper haben ausgedient

Zu lange durften sich Entscheider im Personalwesen wie Türsteher eines angesagten Clubs fühlen, als Gatekeeper auf dem Weg zum Traumberuf Arzt. Dieses Selbstverständnis sitzt tief, hat mit der Realität aber nicht mehr viel zu tun. Heute wirken viele Faktoren zusammen. Insbesondere die demografische Entwicklung, Weltsichten der jüngeren Generationen und die Folgen der Corona-Krise verstärken ihre Konsequenzen gegenseitig.

 

Selbstverstärkende Entwicklungen im Arbeitnehmermarkt

Die Generation Z., also die Geburtenjahrgängen ab 1995, bringen ein neues Mindset mit zur Arbeit. Wir haben dies bereits behandelt, fassen es hier nur kurz zusammen: Freizeit und Selbstverwirklichung haben einen höheren Stellenwert als Karriere. Diese Haltung trifft auf einen demografisch bedingten Arbeitsmarkt, der fordernd auftretende Arbeitnehmer mit zusätzlichem Selbstvertrauen ausstattet. Die aktuelle Frage ist, ob diese Beobachtung auch schon bei der Besetzung von Führungspositionen relevant ist. Unser Eindruck: Sie ist es.  

 

Lernen die Älteren von den Jungen?

Zwar kommen die Vertreter der Gen Z noch kaum als Oberärzte, Chefärzte, Pflegedirektoren und Geschäftsführer in Frage. Dennoch haben Denken und Handeln der Nachwuchsgeneration auch Einfluss auf diejenigen, die mit ihnen zusammenarbeiten und diejenigen, die sie einstellen. Wer die Karriere ein Leben lang an erste Stelle gesetzt hat, betrachtet die Veränderungen in der Arbeitswelt mit Sorge. Wie sollen die großen Herausforderungen von morgen mit weniger Personal und gleichzeitig signifikant weniger Einsatz gemeistert werden?

Andererseits gibt es aber auch Sympathie dafür. Wer die Schattenseiten der Leistungsgesellschaft z.B. in Form eines Burnouts kennengerlernt hat, denkt sich: richtig so. Die Vertreter der Gen Z tun, was sich die Boomer im Arbeitsmarkt vergangener Zeiten nicht leisten konnten. Das kann Verständnis hervorrufen oder auch Neid. Natürlich gibt es graduelle Unterschiede sowohl im eigennützigen Verhalten der Gen Z, als auch in den Reaktionen darauf. Vielleicht macht der eine oder andere Chefarzt einfach mal früher Feierabend, weil er findet, dass die jungen Leute gar nicht unvernünftig sind. Das nimmt allerdings nicht den Druck von Personalverantwortlichen. Im Gegenteil.

 

Der Nachwuchs fordert

Vor allem aber sind es ganz klar die jungen Jahrgänge, die auch ethische Ansprüche an Unternehmen stellen. Diese sollen sich zu sozialen Fragen positionieren und auch erkennbar danach handeln. Ein Bekenntnis zur Inklusion z.B. ist nichts wert, wenn es sich nicht in barrierefreien Arbeitsplätzen spiegelt.

 

Zu Hause gibt es keine Unternehmenskultur

 Aufschlussreich für die Analyse des jungen Personals sind auch die häufigsten Kündigungsgründe. An erster Stelle steht der unerfüllte Wunsch nach flexibler Arbeitszeit und Remote-Optionen. Homeoffice erweist sich für viele als Benefit der Corona-Krise. Arbeitgeber genießen zwar den finanziellen Vorteil geringerer Mietkosten, wenn die Bürofläche verkleinert werden kann. Jedoch ergibt sich andererseits das Problem, eine Unternehmenskultur in den viele Wohnzimmern der Beschäftigten aufrecht zu erhalten. Neue Mitarbeiter, die ihren Kollegen noch nie persönlich begegnet sind, gibt es inzwischen in vielen Unternehmen. Das bleibt nicht ohne Folgen für den Zusammenhalt und das Engagement der Mitarbeiter. Das wirkt sich über geringere Arbeitsleistung in der Bilanz aus. Die Arbeitsstätte prägt die Wahrnehmung eines Unternehmens maßgeblich. Das geschäftige Treiben in den Räumen eines Unternehmens erzeugt das Gefühl, mit allen gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Wie erreicht man dies in den Homeoffices?  Dafür ist uns auch noch keine gute Lösung bekannt.

 

Mit Kundenorientierung gegen Kündigungsdilemma

Interessant ist ein zweiter Kündigungsgrund. Vor allem, wenn man ihn in Verbindung mit dem ersten betrachtet: Viele Mitarbeiter fühlen sich nicht mit der Kultur des Unterehmens verbunden. Das klingt fast nach einem Dilemma: Kündigung mangels Homeoffice-Möglichkeit oder wegen fehlender Identifikation mit dem Unternehmen, die im Homeoffice entsteht. Wir wollen hier aber keine fatalistischen Ausflüchte konstruieren.

Viel ist im Gesundheitswesen schon gewonnen, wenn Recruiting Prozesse schneller gehen. Jeder Klick in einem Online-Prozess ist eine Hürde. Webseiten werden inzwischen so konzipiert, dass alles Wesentliche in dem Bereich kommuniziert wird, der sofort sichtbar ist. 60% der Nutzer scrollen nicht mehr. Entsprechend müssen auch im Recruiting alle Prozesse mit einem ausgeprägten Dienstleister-Mindset gestaltet werden.