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Welcher Arzt wählt welches Fach?

Um es vorwegzunehmen: Das kommt ganz auf den Arzt an. Aber warum ist diese Frage überhaupt interessant?

 Zum einen ist es wissenswert für das gesamte Gesundheitssystem. Wie wir hier bereits beschrieben haben, ist der Ärztemangel in den Fachbereichen unterschiedlich stark ausgeprägt. Wären die entscheidenden Faktoren bekannt, könnte man eher vorhersehen, wie viele Ärzte künftig in welchen Bereichen zur Verfügung stehen werden. Dementsprechend könnte man planen um Engpässen in der medizinischen Versorgung vorzubeugen. 

Individuelle Entscheidung mit gesellschaftlichem Gewicht

Zum anderen ist die Wahl des Faches für den Arzt persönlich eine wichtige Entscheidung, die er nach den Jahren als Assistenzarzt trifft. 34 Fachbereiche stehen in Deutschland zur Wahl und diese haben teilweise nur wenig gemeinsam. Beispielsweise hinsichtlich Arbeitszeiten, Gehalt und Möglichkeiten, sich selbstständig zu machen, gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Bereichen. Vor allem aber erfordern die einen Fachbereiche ganz andere persönliche Eigenschaften als die sonstigen. Empathie, soziale und emotionale Intelligenz und Kompetenz für Gesprächsführung sind unter anderem wichtige Eigenschaften für Psychiater, nicht aber für Radiologen oder Chirurgen. Die sollten eher technisches Verständnis und ausgeprägte analytische Fähigkeiten mitbringen bzw. handwerkliches Geschick. 

Allein gelassen mit wichtiger Entscheidung 

Leider gibt es im Medizinstudium keine Elemente, die dabei helfen, ein passendes Fach zu wählen. Dabei wäre es sowohl individuell als auch gesellschaftlich nützlich. In Ermangelung anderer Entscheidungskriterien folgen einige Ärzte dem Zufall, der sich aus Gelegenheiten für Praktika oder persönlichen Begegnungen. Andere legen Wert auf Prestige. Man erzählt auf einer Party wahrscheinlich lieber, man sei Gehirnchirurg, als dass man Proktologe zu Protokoll gibt. Je nachdem ergibt sich in der Folge wohl ein anderes Gespräch. 

Im Zweifel Intuition  

Tatsächlich folgen aber die meisten ihrer Intuition und wählen das Fach passend zu ihren persönlichen Eigenschaften[1]. Dies ist im medizinischen Sinne gut, denn ein Beruf, der dem Persönlichkeitsprofil entspricht, geht mit geringerem Risiko eines Burnouts einher[2]. Allerdings setzt dies eine korrekte Analyse der eignen Persönlichkeit voraus. Und Intuition ist nur dann ein guter Ratgeber, wenn sie auf Erfahrung beruht.  


Extravertierte und umgängliche Persönlichkeiten bevorzugen aus guten Gründen Fächer mit mehr Patientenkontakt und sozialer Interaktion fordern. Sie werden Psychiater, Kinderärzte, Internisten oder Allgemeinmediziner. Nachsichtigkeit, Empathie und Toleranz gehören den entsprechenden Profilen. Technik spielt hierbei keine bedeutende Rolle. Dem gegenüber stehen z.B. Radiologie, Chirurgie, oder Anästhesie, wo Akribie und Pflichtbewusstsein besonders stark ausgeprägt sind. 

 
Persönlichkeitstest als Entscheidungshilfe

Wir würden es befürworten, im Medizinstudium Persönlichkeitstest anzubieten. Damit hätten Absolventen eine bessere Entscheidungsgrundlage. Auch regelmäßige Marktanalysen und -prognosen wären hilfreich, denn auch wenn Anästhesisten ähnliche Skills brauchen wie Chirurgen, ist es für die medizinische Versorgung insgesamt nicht unerheblich, ob der eine oder der andere Beruf mehrheitlich gewählt wird. 

 

[1] Borges, N. J., & Savickas, M. L., 2002: Personality and Medical Specialty Choice: A Literature Review and Integration. Journal of Career Assessment

[2] Ebd.