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Krankheit: Bürokratie, Medikament: Digitalisierung

Es klingt nach Kalenderblatt, von der Krise als Chance zu sprechen und doch trifft es auf das Gesundheitswesen in der Pandemie zu. Das gilt unter anderem für die vielen kleinen Ärgernisse, die sich zu großen Herausforderungen summieren. Solche, die schon seit langer Zeit existieren und erst jetzt in den Fokus der Allgemeinheit rücken. Bisher betrafen diese Schwierigkeiten nur den vergleichsweise kleinen Personenkreis der Mediziner ständig und den großen der Patienten nur gelegentlich. Dabei geht es um Digitalisierung, bzw. deren Defizite, und Bürokratie. Beides gehört teilweise zusammen.

Wer sich z.B. für eine stationäre Krankenhausbehandlung anmeldet, kann das Ausmaß der Bürokratisierung an der Höhe des Papierstapels ablesen, der dabei heranwächst. Für die meisten eine seltene Erfahrung und schnell vergessen. Jetzt aber wird sogar zur Prime Time in den öffentlich-rechtlichen Medien über den Papierkrieg berichtet, den ein Hausarzt für eine Impfung kämpfen müsste. Und dass die Kapazitäten der Gesundheitsämter durch die technischen Optionen eines Faxgeräts limitiert werden, liefert neuerdings Pointen für die sozialen Netzwerke. Gar nicht witzig: Währenddessen sterben Menschen. Die Gründe dafür lassen sich jetzt nicht mehr ignorieren.

Eine Frage des Vertrauens.

Digitalisierung könnte helfen, vorausgesetzt die Daten sind sicher. Schlechte Nachricht: nicht erst seit der Pandemie ist Datensicherheit die Herausforderung der IT. Und selbst wenn dieses Problem gelöst werden kann, bleibt noch eine große Kommunikationsaufgabe. Diese geht weit über das technische hinaus. Menschen teilen bedenkenlos Ihren Standort mit Google, nutzen WhatsApp oder erstellen mit facebook-Likes Psychogramme ihrer selbst. Gleichzeitig lehnen dieselben Personen die Corona Warn-App der Bundesregierung ab – aus Angst um ihre Daten! Dabei geht es nicht nur um Algorithmen. Weite Teile der Bevölkerung misstrauen entweder den Absichten oder den digitalen Fähigkeiten der Behörden. Das Projekt der digitalen Patientenakte war bisher in diesem Kontext wenig hilfreich. Auch nicht der Umgang mit der Corona Warn-App oder der stockende Rollout der Sormas Software für die Gesundheitsämter.

Wir dürfen hoffen.

Wir können nicht warten, bis diese IT- und Kommunikationsaufgaben gelöst sind. Und es gibt Hoffnungszeichen. Die E-Health-Initiative des Bundesministeriums für Gesundheit umfasst einige davon. Trotz allem haben sich in der Pandemie z.B. Telemedizin und E-Rezepte als gangbare Option für viele einfachere Aufgabenstellungen erwiesen. Auch künstliche Intelligenz entwickelt sich zusehends zu nützlichen Instrumenten für Diagnose und Therapie. Dabei darf es nicht bleiben, denn funktionale digitale Strukturen sind ein Standortvorteil im (internationalen) Wettbewerb um die besten Talente. Es wäre schon viel gewonnen, wenn Ärzte ihr Studium nicht nutzen müssten, um Formulare auszufüllen. Doch die Chancen der Digitalisierung gehen gerade in der Medizin weit darüber hinaus. Nutzen wir sie. Seien wir kreativ. Je mehr gute Ideen einsatzbereit sind, desto größer wird der Druck, die Hindernisse aus dem Weg zu Räumen. Bürokratische Regelungen sind keine Naturgesetze.